<%@LANGUAGE="JAVASCRIPT" CODEPAGE="1252"%> Nora Bosong


Nora Bossong was born in Bremen in 1982. She possesses a poetic voice, entirely consonant with the great tradition of German lyric poetry. She lives in Berlin.

 

Am Wall

Nur mein Blick biegt sich noch mit dem Bach.
Ein einziger Alter strauchelt an seiner Krücke
unter den Parklaternen entlang. Dieses Licht.
Keine Kontur, kein Schatten; alles umzogen
von Flimmerhärchen, sepiabraun. Sein Stadtexil.
Vielleicht kannte ich ihn, vielleicht kannte ich mal
den Namen des Bachs, vielleicht kannte ich mal
diese Stadt. Was gilt, ist dieses Licht. Jedes Geräusch
läßt der Alte unterm Schotter. Nichts hat er überlebt,
bald. Mein Blick beugt sich dem Bach nach

©Nora Bossong

 

Standort

Wir leben in einer Stadt ohne Fluß, es gibt
Grenzen hier nur aus Wind
oder Regenschauern. Meine Schwester
ängstigt das nachts, doch es läßt sich
in unserem Haus nicht weinen, vielleicht
hülfe es ihr, vielleicht brächte es sie
um den Verstand. Es ist frostig
in ihrer Stimme. Ließen sich Entfernungen
ohne Fluß beschreiben, wären zum Wenigsten
die Ahnungen haltbar: Niemand
nähert sich unserem Haus und die Eltern
haben wir lang nicht gesehen.
Doch es gibt keinen Halt, diese Stadt ist
wie ein Schneerest im März. Nur der Wind,
der den Regen in seine Form treibt,
deutet ein  Ortsende an. Unser Haus bleibt
von Eis bedeckt und verschwunden.

©Nora Bossong and zuKlampen

 

Reglose Jagd

Die Ställe hangabwärts, es heißt, den Hasen
habe ein Marder geholt, ein Fuchs, niemand
ist sicher, man lebt hier selten
des Nachts. Das Haus zu groß
für ein Haus, die Menschen zu reich,
nicht aus meiner Zeit. Dennoch gehen wir
auf die Jagd gemeinsam, durch die verwachsenen
Ränder des Familienerbes, kein Tier
knackt das Unterholz, kein Kadaver
legt seinen Geruch wie ein Spukender Ahne
an die Grenze des Grundstücks. Ich glaube, alles
hält die Terrasse verborgen, niemand
folgt mir nach, wie sollten sie auch, meine Tage
liegen anderswo. Nur die Seeadler auf den Pfosten
lassen mich nicht aus dem Blick, ich fühle
ihre gefeilten Augen mir in den Nacken starren,
bis ich stürze, doch das ist unwesentlich, nur
eine kurzfristige Veränderung des alten Gebäudes.

© Nora Bossong and zuKlampen Verlag